Andrea Maria Waden im Interview

„Untersuchung der Akzeptanz des Arbeitszeitmodells ‚Tandem‘ am Beispiel der Generation Y“, so lautet der Titel einer Projektarbeit im Masterstudiengang Innovationsmanagement an der Uni Oldenburg. Die Studentin Vinh Nguyen hat mich als Arbeitgeberin in diesem Rahmen befragt. – Eines ist klar: Das Modell verspricht mehr Zeit für Familie, Hobbys und Weiterbildung. Schließlich teilen sich zwei Menschen eine Stelle, die sie flexibel im Team ausüben. Mal abwechselnd, mal gemeinsam – wie bei einer Fahrt mit dem Tandem. Laut Projektteam müsste Tandem-Jobsharing der Generation Y (folgend Gen Y genannt) also entgegenkommen. Doch nimmt das Modell tatsächlich fahrt auf?

Vinh Nguyen: Was verstehen Sie unter dem Begriff Gen Y?

AMW: Die Gen Y umfasst alle in den frühen 1980er- bis 2000er-Jahren Geborenen; also die erste Generation, die die digitale Welt mit der Muttermilch aufgesogen hat. Sie ist mit einer völlig neuen, freieren und kostenlosen Form von Wissensaneignung aufgewachsen – und mit mehr Optionen für Ausbildung und Karriere.

Wodurch zeichnet sich diese Generation Ihrer Meinung nach aus?

Für die Gen Y sind Jobwechsel, Auszeiten und Schaffenspausen nichts Außergewöhnliches. Im Gegenteil: Durch Zickzacklebensläufe sammelt sie vielfältig Erfahrungen. Sie lernt unterschiedlichste Arbeitsprozesse und Kulturen kennen. Dabei entwickelt sie ein ausgeprägtes Gemeinschaftsdenken und kooperierende Arbeitsformen.

Wie nehmen Sie die Gen Y in Ihrem Unternehmen wahr, verglichen zu vorherigen Generationen?

Das ist sicher eine Tendenz, die ich beobachte und die natürlich nicht für alle gilt, aber: Ich erlebe die Gen Y als selbstbewusst, offen – als global denkende Menschen mit großem Wissenshunger, die oftmals genau wissen, was sie wollen. Sie verfolgen ihre Ziele selbstbewusster als Vorgenerationen. Sie möchten eigenverantwortlich und im Team arbeiten. Die Gen Y bringt mutig ihre Ideen ein und möchte auf Augenhöhe mitdiskutieren. Kann sie ihre Vorstellungen nicht ausreichend realisieren, bringt sie eine höhere Wechselbereitschaft mit. Statussymbole wie große Einzelbüros, Titel, Firmenwagen und monetäre Benefits spielen für sie eine geringe Rolle. Diese Generation sucht in erster
Linie eine sinnstiftende Tätigkeit, Orientierung, Vertrauen, persönliche Förderung und Wertschätzung. Klassische Hierarchien, autoritäre Führung und ein fester Karriereplan sprechen sie weniger an. So wird der Vorgesetzte mehr und mehr zum Mentor, der Leitplanken vorgibt und den Weg zum Ziel begleitet.

Nimmt die Gen Y öfter Teilzeit oder flexible Arbeitszeiten in Anspruch?

Flexible Arbeitszeitmodelle werden grundsätzlich begrüßt und auch genutzt.

Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Die Gen Y wünscht sich Flexibilität: Sie möchte ortsunabhängiger agieren. Schließlich kann man bereits theoretisch von überall mit dem richtigen mobilen Gerät für sein Unternehmen tätig sein. Der Job hat sich grundsätzlich mehr dem Leben anzupassen und nicht umgekehrt. Familie oder Beruf?, die Frage stellt sich der Gen Y nicht: Sie will beides. Und unsere Gesellschaft und Wirtschaft braucht auch beides.

Bieten Sie das Tandem-Modell in Ihrem Unternehmen an?

Bisher nicht. Wir sind aber grundsätzlich offen dafür. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung ist meiner Ansicht nach, eine strukturierte, organisierte und gut dokumentierte Arbeitsweise. Kommunikation, Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit sind wichtige Erfolgsfaktoren. Schließlich teilen sich zwei Mitarbeiter einen Job.

Wann würden Sie Ihren Mitarbeitern das Tandem-Modell empfehlen?

Ziele zu realisieren. Das Modell hängt aber im Einzelfall von den Stärken des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin ab.

Ist das Tandem-Modell ein ausbaufähiges Modell? Oder bevorzugen Sie andere Teilzeitmöglichkeiten?

Bisher bieten wir hauptsächlich Teilzeitoptionen, zum Beispiel um duales Studieren, sonstige Fortbildungen oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Ich halte das Tandem-Modell aber durchaus für sinnvoll, um Talente zu gewinnen oder zu binden und so neue Unternehmensperspektiven aufzubauen. Dafür existieren inzwischen recht gute Plattformen und Programme, die Tandems und Unternehmer zusammenbringen.

Was ist für Sie das stärkste Argument für und gegen eine Arbeitsteilung nach dem Tandem-Modell?

Dafür spricht: Das Jobsharing-Modell zahlt auf die individuellen Bedürfnisse der Gen Y ein. Ein Mitarbeiter kann leichter im Job kürzertreten, Familie und Beruf vereinbaren, sich fortbilden oder mal beruflich über den eigenen Tellerrand hinausschauen. Verstehen sich zudem die Mitarbeiter im Tandem gut und leben es professionell, profitiert auch das Unternehmen; denn der Grad der Zufriedenheit, die Perspektivvielfalt und das Know-how von zwei Menschen schafft viel Mehrwert. Das stärkste Argument dagegen: eine Persönlichkeit, die keine organisierte, gut dokumentierte Arbeitsweise zulässt, keine ausgeprägte Kommunikation pflegen möchte und Verantwortungsgefühl missen lässt.

Was braucht es für das Tandem-Modell?

Einen Job, zwei passende Mitarbeiter, ein Unternehmen und eventuell eine spezialisierte Instanz oder Plattform, die die Infrastruktur für das Zusammenkommen stellt. Solche Experten verfügen oftmals über einen ganzen Pool an möglichen Partnern zum Teilen eines Jobs. Aber noch wichtiger ist: Das Unternehmen muss bereit sein, Verantwortung ans Tandem abzugeben. Das Team organisiert sich in der Regel selbst.

www.feinrot.de
www.uni-oldenburg.de/c3lstudienganginnovationsmanagement/